Politik wurde in meiner Familie schon immer großgeschrieben. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie wir schon als Kinder die neuesten Hochrechnungen bei Bundestagswahlen mit den Eltern mitverfolgen durften und „unserer SPD“ die Daumen drückten.
Ich kann getrost von „unserer SPD“ sprechen. Denn ich habe viele Jahre mit der SPD sympathisiert und die Partei schließlich, bei meiner ersten Teilnahme an einer Bundestagswahl, im stolzen Alter von 43 Jahren, gewählt. Denn bis zu meinem 43. Lebensjahr durfte ich, als gebürtige Hessin, nicht an einer Bundestagswahl teilnehmen. Erst die SPD ermöglichte es, meine Bürgerrechte vollständig auszuüben, mit der Einführung des Doppelpasses.
Auf unserem Gymnasium konnte man Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre die Zahl der Arbeiterkinder, und erst recht jener mit Migrationshintergrund, an einer Hand abzählen. Es war nicht zuletzt der Bildungsinitiative der SPD zu verdanken, dass allmählich auch die Arbeiterkinder an die Universitäten zogen. Allein dafür, dass ich also Deutsche werden und studieren durfte, bin ich dieser Partei dankbar, denn sie hat mit ihrer Politik all dies ermöglicht.
Doch die SPD hat es uns nicht immer leicht gemacht. Für uns sozialdemokratisch Gesinnten war es schmerzvoll mit anzusehen, wie diese Partei in den 2000er Jahren in die Verlustzone geriet. SPD-Kanzlerkandidaten kamen und gingen, doch kein Wahlslogan und kein Programm halfen dabei, der SPD den Verlust von Millionen von Stimmen zu ersparen. Die Menschen begannen zu glauben, die Partei habe die Arbeiterklasse verraten. Die Hartz4-Gesetze wurden zum Fluch. Aber ich hatte die Hoffnung nicht aufgegeben, dass es wieder aufwärts gehen könnte mit der Partei. Dass sie sich wieder auf ihre alten sozialdemokratischen Werte zurückbesinnen würde. Die sozialdemokratische Sehnsucht, sie stirbt zuletzt.
Die Ereignisse der vergangenen zwei Jahre überschlugen sich und stellten die politische Landschaft in Deutschland auf den Kopf. Für uns sozialdemokratisch Gesinnten ist es eine grauenhafte Vorstellung, dass die AFD mit null Konzepten und großer populistischer Attitüde solch immense Wählermassen mobilisieren kann.
Ich bin im vergangenen September in die SPD eingetreten, weil ich nicht schweigend und tatenlos zusehen möchte, wie die AFD unsere mühsam erkämpfte demokratische Grundordnung öffentlichkeitswirksam verachtet und durch die Hintertür untergräbt. Es darf nicht sein, dass diese Partei den Hass propagiert und den Zusammenhalt der Gesellschaft gefährdet. Wir Sozialdemokraten sollten davor warnen, einzelne Bevölkerungsgruppen gegeneinander auszuspielen. Es gebührt der Anstand, den Schwachen und Geflüchteten beizustehen und dabei die anderen Bevölkerungsgruppen nicht zu vernachlässigen.
Autorin: Theodora Zouroufidou
Fotos: Thomas Merkenich